Neue Osnabrücker Zeitung 9.11.2016

Autor: Thomas Klatt

Die dreiteilige Dokumentationsreihe „Die Deutschen und die Polen“ von Andrzej Klamt, Zofia Kunert und Gordian Maugg erzählt die Geschichte einer wechselvollen Nachbarschaft. 3sat zeigt alle Teile hintereinander.

Ein in 1000-Jahre-Schnelldurchlauf der gemeinsamen Geschichte zwischen Deutschen, Polen und Juden – das bietet die Dokumentationsreihe „Die Deutschen und die Polen“. Anders als das 18. Jahrhundert, als Polen zwischen Preußen, Österreich und Russland aufgeteilt wurde, und vor allem das brutale 20. Jahrhundert waren dabei die ersten 800 Jahre von einem aus heutiger Sicht überraschend friedlichem Miteinander geprägt.

Alles fing mit Kaiser und König Otto III. an. Von Rom kommend, reiste er als Pilger nach Polen, um das Grab des heiligen Adalbert in Gnesen zu besuchen. Der einstige Bischof von Prag war Ottos hochgeschätzter Lehrer. Adalbert war aber auch Missionar bei den heidnischen Prußen. Doch diese wollten sich nicht taufen lassen und ermordeten den Kleriker. Der polnische Herzog Bolesław I. kaufte aber den Prußen den Leichnam des getöteten Gottesmannes ab und beerdigte ihn würdevoll.

Aus lauter Dankbarkeit erhob Kaiser Otto III. Gnesen zum Erzbistum, Polen wurde zur selbstständigen Kirchenprovinz. Eine fundamentale Entscheidung, wurde das slawische Land doch dadurch nicht orthodox. Otto III. wies Polen so einen festen Platz an der Seite des Heiligen Römischen Reiches zu. Polen wurde für die kommenden 1000 Jahre an den Westen gebunden. Und Otto III. sollte nicht der einzige Deutsche im Osten bleiben.

Siedler kommen

Seit dem 13. Jahrhundert kamen immer mehr Siedler etwa aus Franken oder Hessen nach Schlesien und Pommern. Die Neuankömmlinge wurden von den regierenden Piasten für den Landesausbau gebraucht. Und es kamen auch deutsche Adelige. Andechs’ Prinzessin Hedwig etwa wurde mit Heinrich in Schlesien-Breslau verheiratet. Gemeinsam betrieben sie die Modernisierung des Landes. Schlesien wurde zur stärksten Kraft in Polen und Hedwig setzte sich für die Vertiefung des christlichen Glaubens und der mildtätigen Caritas ein. Schon 1202 wurde das erste Frauen-Kloster Schlesiens in Trebnitz in der Nähe von Breslau gegründet. Es ist ein Pilgerort bis heute, ist dort doch die heilige Hedwig beigesetzt. Ihre Person gilt als eine der stärksten Bindeglieder zwischen Deutschen und Polen. Später wird dann sogar August der Starke die polnische Königskrone aufsetzen. Das „Iss, trink und genieße das Leben!“ ist bis heute in Polen ein geflügeltes Wort des Sachsenkönigs. Die Dresdner Hofkirche ziert seitdem das polnisch-litauische Wappen.

Allerdings nicht alle Deutschen waren auf friedliche Nachbarschaft aus. Der Deutsche Orden mit seiner uneinnehmbaren Marienburg wurde im Norden des Landes immer dominanter. Dagegen vereinigten sich Polen und Litauer, die 1410 in Grunwald/Tannenberg schließlich die deutschen Ritter besiegen konnten.

Juden in Polen

Besonders lobenswert ist, dass sich der letzte Teil der Dokumentation explizit mit dem Jüdischen in den deutsch-polnischen Beziehungen befasst. Denn nach den rheinischen Pest-Pogromen im Mittelalter fanden viele Juden in Polen-Litauen Schutz. Krakau wurde zum Zentrum des Humanismus, hier studierte etwa Kopernikus. Im 16. Jahrhundert gab es schon Hunderte jüdische Gemeinden und Siedlungen. Im 18. Jahrhundert stellten Juden bereits zehn Prozent der Bevölkerung in Polen. Erst Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts gab es eine regelrechte Rückwanderung von Juden in den Westen. Zu nennen sind etwa Rosa Luxemburg, Billy (Samuel) Wilder, Pola Negri oder der „Ob blond, ob braun, ich liebe alle Frauen“-Tenor Jan Kiepura. Der Mythos vom polnischen Paradies für Juden aber löste sich endgültig im Rauch der deutschen Konzentrationslager auf.

Mit dem heute fast vergessenen Hirtenbrief der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder von 1965 unter Federführung des Breslauer Bischofs Bolesław Kominek, vor allem aber mit Willy Brandt und seinem berühmten Kniefall in Warschau 1970 setzte die Entspannungspolitik zwischen Deutschen und Polen wieder ein. Die dreiteilige Serie zeigt äußerst lehrreich, wie eng im Grunde das Verhältnis zwischen beiden Völkern war und bis heute ist.

Neue Osnabrücker Zeitung, 9.11.2016